Gastartikel

„Ein Wunder, dass ich wieder hören kann!“ – Hartmuts Weg zurück zum Hören

Im März 2020 erkrankt Hartmut Blum aus Niedersachsen schwer an COVID-19. Nach zwei Wochen Beatmung erwacht der Ingenieur entkräftet – und ohne Gehör. Schritt für Schritt erkämpft er sich seinen Alltag zurück, auch dank eines Cochlea-Implantats, mit dem er wieder hören kann.

Der letzte Tag, an den Hartmut Blum sich erinnern kann, ist der 16. März 2020. An diesem Tag ruft seine Frau Lucimara einen Krankenwagen, weil sich der Zustand ihres Mannes rapide verschlechtert. Von den folgenden Tagen im Krankenhaus weiß Hartmut nichts mehr. Knapp zwei Wochen voller aufwändiger Behandlungen aufgrund einer schweren COVID-19 Infektion fehlen in der Erinnerung des 61-jährigen Ingenieurs. Als er auf der Intensivstation wieder erwacht, weiß er weder, wo er ist, noch, wer die Menschen um ihn herum sind. Nur langsam kämpft er sich aus einem sogenannten Delir, einer vorübergehenden Eintrübung des Bewusstseins, an der viele Betroffenen nach einer künstlichen Beatmung leiden, wieder zurück.

Taubheit nach Corona-Infektion

Schnell bemerkte Hartmut, dass er nicht nur körperlich abgebaut hatte, sondern zusätzlich mit seinem Gehör etwas nicht stimmte: „Als ich zu mir kam, war es unglaublich laut. Als Folge des Delirs hatte ich das Gefühl, in einem Hubschrauber zu sein. Der Krach hinderte mich daran, die Ärzte zu verstehen. Ich berichtete den Ärzten von den Geräuschen und dass ich rechts nichts mehr hören konnte. Bei einem Test stellte sich heraus, dass ich unter einem beidseitigen Tinnitus litt“, erzählt er von der erschütternden Erkenntnis.

Blums behandelnde Ärzte nahmen Kontakt mit der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) auf. Der dortige Leiter, Prof. Thomas Lenarz, vermutete, dass das neuartige Corona-Virus, ähnlich wie andere Atemwegsinfekte auch, das Innenohr in Mitleidenschaft ziehen könne. Denn das Virus kann über die druckausgleichende „Eustachische Röhre“ vom Rachen ins Mittelohr und von dort weiter ins Innenohr (Cochlea) vordringen. Wenn die empfindlichen Sinneszellen der Cochlea, die sogenannten Haarzellen, irreparabel zerstört sind, ist die Verarbeitung von Schallwellen – und somit Hören – nicht mehr möglich. Lenarz riet schließlich dazu, Hartmut Blum zur weiteren Behandlung nach Hannover zu verlegen.

Entscheidung für ein Cochlea-Implantat

In Hannover bestätigen weitere Untersuchungen, dass Hartmuts Gehör durch die COVID-Infektion stark beeinträchtigt war. Doch es gab Anlass zur Hoffnung: Auch wenn die Haarzellen zerstört worden waren, sein Hörnerv funktionierte einwandfrei. Am Deutschen Hörzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover kam Prof. Lenarz nach eingehender Untersuchung Blums zum Schluss, dass ein Cochlea-Implantat (CI) für ihn eine geeignete Lösung sei. „Das Cochlea-Implantat umgeht die Haarzellen und sendet die Schallinformationen gleich als elektrisches Signal an den Hörnerv. Von dort gelangen die Impulse weiter ins Gehirn, wo sie als Klänge wahrgenommen werden“, erklärt Lenarz.

Rasch entscheidet sich Hartmut für ein MED-EL CI mit einem SONNET 2 Audioprozessor und wird zwei Tage später operiert. Er erholt sich rasch von der OP und kann schließlich 39 Tage nach dem Notruf seiner Frau wieder nach Hause zu seiner Familie.

Zurück in den Alltag mit neuem Hören

Stück für Stück muss sich Hartmut nun in den Alltag zurückkämpfen: Er unternimmt erste Spaziergänge am Rollator mit seiner Frau, versucht die einschneidenden Erlebnisse der vergangenen Wochen hinter sich zu lassen – und er gewöhnt sich an sein neues Hören. Ende Mai, wenige Wochen nach der Operation, fand die umfangreiche Erstanpassung seines Cochlea-Implantat-Systems statt. Sich an das neue Hören zu gewöhnen, ist für viele CI-NutzerInnen zu Beginn anstrengend: „Tagsüber war ich erst noch sehr müde und litt unter Konzentrationsstörungen“, erzählt Hartmut. „Im Juli entschied ich mich trotzdem für einen beruflichen Wiedereingliederungsversuch.“

Schon bald hat sich Hartmut an den neuen Alltag gewöhnt: „Jetzt genießen wir unser zurückgewonnenes Leben. Denn eines ist klar: Ohne meine Frau hätte ich das nie geschafft. So sind es eigentlich drei Wunder, die ich seit März erlebt habe: dass ich Corona überlebt habe, dass ich wieder hören kann und dass ich eine Frau habe, die wirklich zu mir steht.“

Hartmuts Appell

Mittlerweile nutzt Harmut auch auf seiner linken Seite ein Cochlea-Implantat und ist mit der Hörqualität sehr zufrieden: „Es bringt noch Mal eine Verbesserung in Richtung Klangortung, Gleichgewichtssinn und Verständlichkeit. Der Tinnitus wird auch besser unterdrückt.“ Sorgen machen ihm allerdings die Entwicklungen des Infektionsgeschehens und die zunehmende Maßnahmen-Müdigkeit in Deutschland. Der 61-Jährige würde sich wünschen, dass Menschen das Virus ernst nehmen und sich der Gefahren durch eine COVID-19-Infektion bewusst sind: „Ich weiß, wie gefährlich das Virus sein kann. Und ich möchte nicht, dass das, was ich durchgemacht habe, anderen Menschen widerfährt!“

 

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