Gastartikel

„Es gibt für alles eine Lösung“: Maries Hörgeschichte

Während ihrer zweiten Schwangerschaft wurde Michaela aus Bayern mit der Diagnose Zytomegalie-Virus konfrontiert. Die Folge: angeborener Hörverlust bei ihrer Tochter Marie. Im heutigen Gastartikel erzählt sie, was die Diagnose für ihre Familie bedeutete und wie Marie heute dank Cochlea-Implantaten eine Welt voller Klänge erleben kann.

Ich gehöre zu den positiv denkenden Menschen. Meine beiden Schwangerschaften nahm ich sehr entspannt. Ich war davon überzeugt, dass schon alles gut gehen würde, wenn ich nur auf die Signale meines Körpers höre. Doch der Mensch hat eben nicht alles im Griff; das zeigt sich in diesen Zeiten so deutlich wie nie. Wie unberechenbar und grausam ein Virus aus heiterem Himmel zuschlagen kann, hat sich unserer Familie schon im Jahr 2015 offenbart.

Diagnose Zytomegalie-Virus (cmv)

Irgendwann zwischen der 9. und 20. Schwangerschaftswoche infizierte ich mich mit cmv. cmv steht für das Zytomegalie-Virus, gehört zur Familie der Herpesviren und schadet einem gesunden Menschen mit gut funktionierendem Immunsystem quasi überhaupt nicht. Nur einem Ungeborenen kann dieses Virus schaden. Bei einer konnatalen Infektion im ersten Drittel der Schwangerschaft drohen dem Baby schwere geistige und körperliche Behinderungen, Organschäden, Augen- und Hörschäden. Dem unsensiblen Ratschlag einer Oberärztin zu folgen, die Schwangerschaft aufgrund der drohenden Behinderung abzubrechen, kam für mich nicht in Frage. Aber ihre Worte hallen mir noch fünf Jahre danach nach und treiben mir die Tränen in die Augen. Die Schwangerschaft war von Höhen und Tiefen geprägt, aber am Ende brachte ich eine körperlich und geistig gesunde Tochter, meine Marie, auf die Welt.

Doch leider hatte das Virus doch zugeschlagen, wie eine Blut- und Urinprobe zeigte. Und dann war auch das Neugeborenen-Hörscreening auffällig. Marie zeigte keinerlei Hörreaktionen. Wir wurden Teil des medizinischen Apparats und durchlebten in den darauffolgenden Monaten sämtliche Untersuchungen und medizinische Tests. Schließlich hatten wir zwei Baustellen – die Virusinfektion meiner Tochter, von der kaum ein Arzt wusste, wie sie sich weiter auswirken würde und die Hörbeeinträchtigung. Platz für Freude über das neue Leben blieb da kaum. Ein halbes Jahr lang wurde das Virus mit einem sogenannten Virostatikum behandelt.

Danach konnten wir uns der inzwischen bestätigten Diagnose der angeborenen Taubheit widmen. Ich persönlich brauchte eigentlich die zahlreichen medizinischen Untersuchungen nicht, die letztlich nur noch den wissenschaftlichen Beweis lieferten, dass Marie nichts hörte. Marie ließ sich nachts nicht besänftigen, wenn ich beruhigend mit ihr sprach. Ein Einschlaflied oder eine Spieluhr riefen ebenso wenig Reaktion bei ihr hervor wie wenn ihr Bruder zwei Topfdeckel gegeneinander schlug. Und trotzdem war es irgendwie ein Schock, als die Diagnose schwarz auf weiß dastand. Ein Fünkchen Hoffnung trägt man schließlich immer in sich.

Maries Weg zu Cochlea-Implantaten: „Es gibt für alles eine Lösung“

Diesen Satz unseres HNO-Spezialisten werde ich wohl nie vergessen. Für uns als hörende Familie stand von Anfang an fest, Marie die Welt der Töne und Klänge nicht vorzuenthalten. Weil uns bewusst war, dass gerade die ersten Jahre für die Sprachentwicklung entscheidend sind, stand es außer Frage, Marie implantieren zu lassen. Natürlich hatten wir Angst vor der Operation. Aber es war die beste Entscheidung unseres Lebens! Ich kann nur jedem raten, die Operation – wenn man sich dafür entschieden hat – möglichst früh durchführen zu lassen.

Marie bekam ihr erstes CI mit 10 Monaten, bei der zweiten OP war sie 13 Monate alt. Die Zeit im Krankenhaus mit einem Baby zu verbringen, ist wesentlich einfacher als mit einem Kleinkind. Als Baby hat Marie von der OP selbst sowie den Vor- und Nachuntersuchungen nichts mitbekommen. Am OP-Tag selbst durfte ich sie auf dem Arm halten bis sie die Narkose bekam und als sie aufwachte, konnte ich sie beruhigend stillen. Direkt nach der OP ist das Gesicht noch recht geschwollen und die Babys schauen mit ihrem riesigen Kopfverband aus wie nach einem Boxkampf. Für mich als Mutter war das aber schlimmer als für meine Tochter, die sich daran nicht zu stören schien.

Erstanpassung und erste Hörerfolge

Nach einer Woche durften wir die Klinik verlassen und sechs Wochen später fand die Erstanpassung statt. Ein großer Tag für uns, von dem man sich aber nicht zu viel erwarten darf. Spektakuläre Hörreaktionen, wie sie auf YouTube zu finden sind, sind eher die Seltenheit. Es dauert einige Zeit, aber dann stellen sich erste Erfolge ein. Nach und nach stellten wir fest, dass Marie ihre eigene Stimme wahrnahm. War sie mit etwa einem halben Jahr quasi verstummt – dem Alter, in dem Babys üblicherweise mit der zweiten Lallphase beginnen – begann sie jetzt, ihre Stimme in allen Variationen auszuprobieren.

Ich kann nicht genau sagen, wann Marie zum ersten Mal wirklich „Mama“ oder „Papa“ sagte. Ich hatte nicht, wie bei anderen Kindern oder auch bei ihrem Bruder, den Eindruck, dass es den einen Moment gab, in dem sie mich oder ihren Papa gezielt ansprach. Es war eher ein schleichender Prozess. Irgendwann konnte man aus den aneinander gereihten Silben sinnergebende Wortkonstruktionen heraushören. Als Marie zwei Jahre war, hatte sie ein Hör-Alter von einem Jahr und hinkte in der Sprachentwicklung mit ihren Altersgenossen nur minimal hinterher. Wobei das ohnehin schwer ist, genau festzumachen, weil in diesem Alter die Spannweite in der Sprachentwicklung immens ist.

Singen, Tanzen, Musizieren

Heute ist Marie vier Jahre alt und verfügt über einen fast altersgerechten Wortschatz. Ihre Aussprache ist manchmal sehr deutlich, bei einigen Wörtern etwas verwaschen. Außenstehende merken Marie oft nicht an, dass sie eigentlich gehörlos ist und nur dank Cochlea-Implantat hören kann. Ich als Mutter bemerke aber genau, dass es für sie durchaus nicht so einfach ist, in einem hörenden Umfeld alles zu verstehen. Sie beobachtet das Mundbild ihres Gegenübers sehr genau und bei längeren Geschichten lässt nach einiger Zeit die Konzentration nach. Aber ich merke auch, wie viel Freude ihr das Hören bereitet, wie gern sie singt, tanzt und Krach macht wie jedes andere Kind auch. Marie macht Ballett, geht zum Kindertanzen und musiziert. Sie singt – total schief –, aber sie singt.

Dass das alles nicht selbstverständlich ist, sondern nur dank des CIs möglich ist, ist mir ständig bewusst. Es gibt Situationen, in denen ich mir wünsche, sie könnte hören wie wir. Im Schwimmbad zum Beispiel oder beim Plantschen im Freien, wird Marie wieder zu dem tauben Kind, als das sie geboren wurde.

Ansonsten bin ich unglaublich dankbar dafür, dass ich Marie Geschichten vorlesen, sie mir von ihrem Tag im Kindergarten erzählen und mit ihrem großen Bruder spielen, toben und streiten kann wie ein normal hörendes Kind. Ja, es gibt für alles eine Lösung. Um anderen Eltern Mut zu machen, erzähle ich unsere Geschichte auch auf meinem Blog www.marie-kann-hoeren.de.

Danke, Michaela!

Lesen Sie auch, wie sich der Alltag des 13-jährigen Valentin aus Österreich dank eines Cochlea-Implantats verbessert hat und warum seine Eltern sich bei der Diagnose einseitige Taubheit für ein Implantat entschieden haben. 

 

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