Wie Jodie dem Hörverlust trotzte und zu einer internationalen Athletin wurde
Gestatten: Jodie Ounsley, Cochleaimplantat-Trägerin und international erfolgreiche Sportlerin. Nachdem sie ihr Land bereits in mehreren Sportarten vertreten hat, strebt sie jetzt eine Karriere als Profisportlerin im Rugby an. Und dabei ist sie gerade einmal 17 Jahre jung.
Wir haben uns mit Jodie getroffen, um mit ihr über ihre sportlichen Erfolge zu sprechen, und welche Tipps sie für andere Sportbegeisterte mit einem Cochleaimplantat hat.
Ich heiße Jodie Ounsley. Ich komme aus Dewsbury in West Yorkshire in England, bin Athletin, 17 Jahre alt und taub. Ich wohne auf dem Campus vom Loughborough College, wo ich als Rugby-Spielerin in Vollzeit trainiere. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten zusammen mit meinen Teamkolleginnen.
Wie kam das mit deinem Hörverlust?
Ich bin zu früh auf die Welt gekommen und brauchte jede Menge Antibiotika, zu deren wohl bekannten Nebenwirkungen der Hörverlust gehört. In den ersten paar Monaten meines Lebens wurde festgestellt, dass ich auf beiden Seiten vollständig taub war.
Meine Eltern hatten keine Ahnung, was das für mich bedeuten würde, und suchten gleich nach der Diagnose einen Experten auf. Mein Cochleaimplantat erhielt ich bereits im Alter von 14 Monaten, was damals noch sehr früh war. Meine Eltern hatten darauf gedrängt, die Operation so früh wie möglich durchzuführen. Heutzutage ist eine so frühe Implantation ganz normal.
Warst du schon immer sportbegeistert?
Ich habe immer gern Sport getrieben und mich mit anderen gemessen. Als ich zwei oder drei war, soll ich einen Sack Möhren auf den Rücken genommen und so schnell ich konnte um den Esstisch herumgelaufen sein. Ich wollte einfach nicht stehenbleiben. An dem Punkt war wohl allen klar, dass ich zur Sportlerin geboren bin.
In der Leichtathletik war ich in mehreren Disziplinen ziemlich gut, im brasilianischen Jiu-Jiutsu sogar mal britische Meisterin. Bei den Deaflympics in der Türkei bin ich für Großbritannien die 100 und die 200 Meter gelaufen. Ich habe mich als 15-Jährige qualifiziert und war damit die Jüngste bei dieser Veranstaltung.
Außerdem war ich fünf Mal Weltmeisterin im Kohleschleppen. Das ist so eine Tradition in Yorkshire, wir laufen mit Kohle auf dem Rücken von einem Pub zum Maibaum. Ich denke aber nicht, dass das demnächst olympisch wird!
Seit wann interessierst du dich für Rugby?
Ich wollte schon immer Rugby spielen, der Sport hat mich einfach fasziniert. Mein Vater wollte es mir immer ausreden. Aber als mein jüngerer Bruder damit anfing und mir nach dem Training davon vorschwärmte, wusste ich, dass ich es einfach mal versuchen musste.
Mein Vater glaubte vermutlich, dass ich nicht lange dabeibleiben würde. Ich ging eine Woche zum Training und wurde prompt gefragt, ob ich am folgenden Wochenende als Ersatz einspringen könnte. Damals wusste ich von den Regeln nur, dass man mit „Versuchen“ punkten muss. Ich wurde in den letzten Minuten des Spiels eingewechselt. Ich dachte schon, ich würde nie einen Versuch legen können, da kam der Ball in meine eigene Hälfte. Ich rannte um einige Spieler herum und über das Feld, um einen Versuch zu legen. Und wurde ausgebremst.
Worauf bist du beim Rugby besonders stolz?
Die letzten Jahre waren ziemlich schwindelerregend. Es ging steil nach oben: mit meinem ersten Verein, Sandal RUFC, in der U15, dann die U18 in Yorkshire, Nordengland und England – und ich war gerade einmal 15. Ich spielte bei Twickenham, der Wiege des englischen Rugby, und zwar nicht nur ein Mal, sondern zwei Mal in den letzten paar Wochen. Beide Male im Finale und mit unterschiedlichen Teams. Ich fühlte mich sehr geehrt, dass ich in der Altliga Yorkshire bei den Regionalmeisterschaften vertreten durfte, mit einem 52:0-Sieg gegen Surrey. Ich hatte dort einen Traumstart mit einem großartigen Punktgewinn.
Außerdem bin ich erst vor kurzem aus Australien zurückgekehrt. Dort habe ich die englische Frauenliga der Gehörlosen im 15er- und 7er-Rugby vertreten, und wir haben Gold gewonnen. Aber die Erfahrung selbst war wichtiger als der Turniergewinn. Ich komme sonst nicht oft mit anderen Gehörlosen in Berührung, aber unter all den anderen tauben Spielerinnen fühlte mich sehr wohl und geborgen. Wir alle haben im Alltag mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen. Im englischen Gehörlosenteam waren ganz tolle Leute, die mir als der Jüngsten im Team geholfen haben, wo sie nur konnten.
Was ist das für ein Gefühl, wenn man so auf Eliteniveau mitspielt?
Das kam alles ziemlich plötzlich und ist so spannend. Rugby macht mittlerweile einen Großteil meines Lebens aus. Neben meinem Studium sehe ich dort meine berufliche Zukunft, und meine wesentlichen Ziele im Leben drehen sich allesamt um künftige große Erfolge im Rugby. Ich habe regelmäßig die Gelegenheit, zu reisen und in wichtigen Spielen mit fantastischen Spielern auf dem Platz zu stehen. Frauen-Rugby ist in den letzten Jahren sehr populär geworden, es ist also der perfekte Zeitpunkt, um dabei zu sein.
Beeinträchtigt dich der Hörverlust beim Sport?
In der Leichtathletik war es kein großes Thema, dass man gegen Normalhörende angetreten ist. Beim Sprint braucht man nicht zu kommunizieren. Nur beim Trainieren und mit dem Trainer muss man ein bisschen geplanter vorgehen, wenn man vorankommen will.
Bei den Deaflympics mussten alle ihre elektronischen Geräte abgeben, damit die Bedingungen für alle gleich waren. Für mich war das ein komisches Gefühl, weil ich nichts anderes kenne als das Cochleaimplantat. Selbst das Laufen ohne fühlte sich merkwürdig an, weil ich den Wind, den Jubel an der Strecke, meine Atmung etc. nicht hören konnte.
Rugby ist ein Teamsport, bei dem es wesentlich mehr auf Kommunikation ankommt. Ich musste vorausplanen und Strategien entwickeln, um die Tatsache auszugleichen, dass ich nicht so gut hören konnte wie meine Teamkollegen. Auf dem Trainingsfeld werden mir neue Aufstellungen oder längere Erklärungen meist direkt an der Mallinie gegeben statt dass ich sie bei schlechtem Wetter und mit vielen Nebengeräuschen über das ganze Feld zugebrüllt bekomme. Ab und zu wird es mal peinlich, wenn ich das Pfeifen überhöre und einfach weiterlaufe, um einen Versuch zu legen, aber im Großen und Ganzen gibt es da keine Probleme.
Welchen Rat würdest du anderen jungen, gehörgeschädigten Athleten geben?
Lass dich nicht abschrecken, nur weil du Angst hast, etwas nicht zu verstehen oder nicht mitzubekommen. Meiner Erfahrung nach fährt man am besten, wenn man von Anfang an die Karten auf den Tisch legt. Lass alle wissen, was du kannst und was nicht und was dir bei der Kommunikation hilft.
Ich versuche immer, locker damit umzugehen und vielleicht einen Witz darüber zu machen, dass ich niemanden willentlich ignoriere, sondern manchmal Dinge einfach falsch verstehe. Das hilft ein bisschen, das Eis zu brechen. Meist wissen die Teamkollegen und Trainer schlichtweg nichts über Gehörverlust, und was er für die Kommunikation bedeutet. Die meisten meiner Kollegen können sich noch immer nicht vorstellen, dass ich ohne meinen Prozessor rein gar nichts höre!
Sieht du für dich eine berufliche Zukunft im Rugby?
Was als Hobby begann, eröffnet mir immer mehr berufliche Perspektiven. Ich bin mit 16 von zu Hause ausgezogen und lebe auf dem Campus von Loughborough, um mit Rugby-Elitespielern an einem Förderprogramm für Hochbegabte teilzunehmen. Ich trainiere und studiere in Vollzeit und bin kürzlich einem Erstligaverein, Loughborough Lightning, beigetreten.
Im Augenblick ist mein Leben sehr aufregend und hektisch, aber ich kann mir nichts Besseres vorstellen. In den nächsten Wochen spiele ich für England in Bulgarien. Ich erhalte so viele tolle Angebote, dass ich nicht sagen kann, was als nächstes kommt!
Danke, Jodie!
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