Gastartikel

Wer bin ich: Hörverlust und Schule (von Magteld Smith)

Magteld Smith trägt ein MED-EL Cochleaimplantat. Und sie ist bereit, uns hier auf dem MED-EL Blog ihre Geschichte zu erzählen. Weitere Beiträge von ihr, z. B. Tipps für Mütter von hörgeschädigten Kindern, finden Sie hier.

Manche Vorurteile gegenüber Hörverlust oder Taubheit halten sich wirklich hartnäckig. Eines davon ist die Vorstellung vom „Taubstummen“. Manche Leute glauben tatsächlich noch, dass gehörlose Menschen auch nicht sprechen können. Wie die Taubheit allgemein angesehen wird, hat direkten Einfluss darauf, wie Lehrkräfte taube Schüler sehen und unterrichten.

Hörverlust und Schule

Ich war erst kürzlich im Carel du Toit Centre, wo taube Kinder mit geeigneten Hörhilfen und Cochleaimplantaten sprechen lernen. Im Laufe der Jahrzehnte konnte nachgewiesen werden, dass taube und hörgeschädigte Kinder dieselbe Fähigkeit zum Spracherwerb haben wie Kinder mit einem normalen Gehör. Hörerlebnisse und natürliche Interaktion erzeugen ein intensives Umfeld für den Spracherwerb und sorgen dafür, dass die Kinder Sprachkompetenzen entwickeln. Dieser Prozess setzt sich in der Schulzeit fort und bildet die Grundlage für das spätere Leben.

Die Kinder sind offen und begierig, in die Welt des Hörens einzutreten. Das erfüllt mich mit Staunen, Begeisterung und großer Hoffnung für die Zukunft dieser Kinder in meinem Land. Die Liste der Erfolgsmomente ist lang. Ich habe das Glück, jeden Tag Momente zu erleben, die mir neue Kraft geben und mich daran erinnern, wie wichtig diese Arbeit ist. Mein Erfolgserlebnis des Tages hatte ich, als ich als Beobachterin in einer ersten Klasse der örtlichen Grundschule saß. Der Lehrer, den ich beobachtete, verhielt sich allen Erstklässlern gegenüber ruhig, unvoreingenommen, ermunternd, effektiv und positiv.

Die Einstellung des Lehrers

Ich erinnerte mich an die Zeit vor 39 Jahren, als ich in der vierten Klasse war. Das war ein Albtraum. Meine Lehrerin war ziemlich aggressiv und unfreundlich. Es scheint, dass die Bezeichnung „taub“ gern mit „dumm“ oder, medizinisch ausgedrückt, mit einer geistigen Behinderung gleichgesetzt wird.  Meine Lehrerin pflegte uns mit einem Stock zu schlagen. Eigentlich war ich in Geografie und Geschichte recht gut, aber in den Tests fiel ich trotzdem regelmäßig durch. Das lag daran, dass sich meine Lehrerin weigerte, mir die Fragen schriftlich zu geben oder an die Tafel zu schreiben. Außerdem ging sie im Klassenzimmer auf und ab, während sie mündlich ihre Fragen stellte. Sie schlug mich dann und warf mir vor, dass ich faul und dumm sei und nicht aufgepasst hätte. Ich bekam deswegen unzählige Strafarbeiten aufgebrummt.

Es lag jenseits ihrer Vorstellungskraft und ihres Wissenshorizonts, dass viele Taube nicht gelernt haben zu sprechen, einige aber schon. Für sie war „stumm“ gleichbedeutend mit „minder bemittelt“ oder einem Mangel an Intelligenz. So verschob sich die Bedeutung von „stumm“ in Richtung „dumm“.

In der Sprechstunde versuchten meine Eltern, ihr zu erklären, dass Taubheit absolut nichts mit Intelligenz zu tun hatte. Ich glaube nicht, dass Taube schlauer als andere sind, sie sind einfach genau so wie alle anderen. Wie unter den Hörenden gibt es unter ihnen einige, die begabt, und andere, die mit zusätzlichen Einschränkungen konfrontiert sind, aber die Mehrheit ist wie alle anderen von durchschnittlicher Intelligenz.

Trotz all dieser Gesprächsversuche hielt meine Lehrerin an ihrer Praxis und ihren Misshandlungen fest. Sie konnte und wollte auch gar nicht verstehen, dass die Fähigkeit eines tauben oder hörgeschädigten Schülers zu hören und menschliche Sprache zu verstehen erheblich eingeschränkt ist und er an der Interaktion im Klassenzimmer nicht in vollem Umfang teilnehmen und vom angebotenen Lernstoff nicht angemessen profitieren kann. Die heutigen Technologien mit ihren modernen Hörhilfen, Cochleaimplantaten und FM-Systemen gab es damals noch nicht. In den schriftlichen Prüfungen schnitt ich recht gut ab, weil ich die Fragen ablesen und verstehen konnte.

Diese Lehrerin hatte ernsthafte Auswirkungen auf meine Gefühlswelt. Ich glaube, dass sich jeder Mensch irgendwann unweigerlich selbst in Frage stellt. Ich konfrontierte mich selbst und die Welt mit Fragen wie: „Woher komme ich?“; „Was ist der Sinn meines Lebens?“; „Warum bin ich anders?“; „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Taubheit und Hören?“; so viele Fragen, die ich mir jeden Tag stellte und auf die es keine Antworten gab, standen im Zentrum meines Selbstverständnisses und meiner Identitätssuche.

Die nächste Herausforderung kam in der 5. Klasse, als wir eine weitere afrikanische Sprache, Sesotho, lernen sollten. Das Lippenlesen war ein Albtraum. Sesotho hat eine völlig andere Aussprache als Englisch und Afrikaans. Die schriftlichen Prüfungen habe ich bestanden, weil im Wesentlichen nur Vokabeln abgefragt wurden, aber bis zu heutigen Tag kann ich keine dritte Sprache erlernen.

So wurde ich schon in sehr jungen Jahren mit Diskriminierung und Vorurteilen gegenüber Gehörlosen konfrontiert.

Erfolgsgeschichte einer Gehörlosen

Es wird gemeinhin angenommen, dass hörende Menschen den gehörlosen überlegen bzw. dass taube Menschen weniger fähig (begabt, intelligent etc.) sind als hörende. Ohne Frage fördert diese Einstellung oder dieses Verhalten stereotypes Denken, was erheblichen seelischen Schaden anrichten kann.

Mir wurden die Unterschiede zwischen dem, was ich kann und was hörende Menschen können, sehr bewusst. Ich machte mir die Sichtweise zu eigen, dass mir aufgrund meiner Einschränkungen eine Außenseiterrolle zukam. Ich spürte, dass die Hörenden mich als anders oder minderwertig einstuften. Das kratzte furchtbar an meinem Selbstbewusstsein und meiner Eigenwahrnehmung. Ich habe mich so oft unwohl in meiner Haut gefühlt.

Wie dem auch sei, eine starke Unterstützung durch die Familie und offene Gespräche zu Hause sind ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses für jedes Kind. Eltern sollten eventuell Entscheidungen mit ihrem tauben Kind besprechen. Sie werden erstaunt sein, mit wie viel Einsicht diese oft beurteilen können, was für sie am besten ist!

Letzten Endes geht es immer um die Persönlichkeit und die akademischen Fähigkeiten des Kindes und um die Bereitschaft der Eltern, eine gute Ausbildung für ihr Kind zu erkämpfen. Eltern von durchschnittlich begabten Kindern müssen sicherstellen, dass sie erfahrene und qualifizierte Lehrer bekommen, die bereit sind, sich auf das Unterrichten tauber oder gehörloser Kinder einzulassen. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass das einfach ist oder man sich nicht manchmal ziemlich alleingelassen fühlt.Aber ich habe allgemeine Schulen selbst besucht und weiß, dass Gehörlose erfolgreich sein und eine akademische Laufbahn mit Bravur meistern können.

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