Technologie

Niederfrequente Töne mit einem Cochleaimplantat

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Wer ein Cochleaimplantat im Teenageralter oder als junger Erwachsener bekommen hat, wird vermutlich erleben, dass sich sein Gehör in den ersten Monaten nach der Aktivierung verändert. Viele berichten, dass niederfrequente Töne mit der Zeit voller, tiefer und natürlicher klingen. Wie kommt diese Veränderung zustande?

Letztendlich ist es das Gehirn selbst, das sich hier ändert und an die niederfrequenten Töne anpasst, die es vom Cochleaimplantat erhält. Aber nicht bei jedem Cochleaimplantat-Modell geht dieser Prozess gleich schnell und effektiv vor sich, längere Elektrodenträger können ihn beschleunigen und sind im Ergebnis präziser. Und das hat seinen Grund.

Man nennt das Tonotopie

Beim Hören geht es darum, wie das Ohr Schallinformationen an das Gehirn überträgt. Die Cochlea, in die der Elektrodenträger eingesetzt wird, verfügt über tausende von winzigen Haarzellen, die jeweils für die Wahrnehmung unterschiedlicher Frequenzen zuständig sind.

Der hochfrequente Bereich befindet sich am Anfang der Cochlea, der niederfrequente am Ende. Wird eine dieser Haarzellen stimuliert, sendet sie entsprechende Daten an das Gehirn. Die Cochlea sagt also Ihrem Gehirn, „dass das jetzt ein 300-Hz-Ton ist“. Wissenschaftler bezeichnen diese Zuordnung als Tonotopie und die sieht so aus:

Ein normal Hörender kann den tatsächlichen Schallwellenbereich hören, weil alle seine Haarzellen intakt sind. Aber bei jemandem, der ein Cochleaimplantat trägt, lassen sich die Klänge nur über die Haarzellen stimulieren, die für die jeweilige Frequenz zuständig sind und die liegen für niederfrequente Töne in der Cochlea ganz unten.

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Fehlanpassung: Lost in Translation

Nach der Aktivierung des Audioprozessors stellen viele erst einmal begeistert fest, dass sie hören können, dass es aber irgendwie „wie Micky Maus klingt, ziemlich seltsam und viel zu hoch“. Das liegt daran, dass gelegentlich keine Übereinstimmung besteht zwischen den Schallsignalen, die das Cochleaimplantat sendet, und wie das Gehirn sie interpretiert.

Nehmen wir ein Beispiel: Der tiefste Kontakt eines Elektrodenträgers möchte ein Signal für einen tiefen 150-Hz-Ton senden. Aber wenn der Träger zu kurz ist und nur bis zu dem Bereich der Cochlea reicht, der für 300-Hz-Töne zuständig ist, hört das Gehirn jedes Mal 300 und nicht 150 Hz. Deshalb klingt anfangs vieles höher.

Niederfrequente Töne mit längeren Elektrodenträgern

Warum ändert sich das „mit der Zeit“? Das liegt daran, dass das Hörverhalten des Gehirns nicht in Stein gemeißelt ist: Es kann seine eigene Feinabstimmung vornehmen und so die Fehlanpassung zwischen dem eingehenden Tieftonsignal und dem stimulierten Hochtonbereich der Cochlea korrigieren.

Wie weit die Fehlanpassung reicht, hängt davon ab, wie tief (bzw. nicht so tief) der Elektrodenträger eingesetzt wurde. Längere Elektrodenträger reichen weiter in die Cochlea hinein. So kommen sie näher an die entsprechenden Haarzellen heran, können die 150 Hz präziser stimulieren und das Gehirn hat anfangs weniger auszugleichen.

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In einer Studie mit 14 Cochleaimplantatträgern, deren tiefster Elektrodenkontakt das Signal für eine spezifische Schallfrequenz übertrug, hörten neue Träger im Durchschnitt einen 666,9-Hz-Ton, während der Durchschnitt der erfahreneren Träger aussagte, dass es wie 381,8 Hz klänge.1

Ihr Gehirn hatte begonnen, die Stimulation des Cochleaimplantats anders zu interpretieren, so dass nach einer gewissen Zeit ein identisches Signal tiefer klingt.

Auditorisches Gedächtnis verantwortlich für Klangveränderungen

Wissenschaftler versuchen derzeit zu ergründen, wie das Gehirn diese Fehlanpassung ausgleicht, aber bislang können sie nur vermuten, dass es mit dem so genannten auditorischen Gedächtnis zusammenhängt. Für jemanden, der sein Gehör erst nach dem Erwerb einer gewissen Hör- und Sprechkompetenz verloren hat, bedeutet das, dass sein Gehirn das mit dem Cochleaimplantat Gehörte mit früheren Hörerlebnissen vergleicht. Im Laufe der Zeit beginnen diese Erinnerungen das aktuelle Hörverhalten zu beeinflussen, bis alle Frequenzen, insbesondere die tieferen, dem natürlichen Hören immer ähnlicher werden.

Aber dieser Vorgang ist nicht perfekt und man kann damit nicht alles ausgleichen: Ein kurzer Elektrodenträger, der nur bis zum 1.000-Hz-Bereich der Cochlea geht, wird einen 150-Hz-Ton wahrscheinlich niemals präzise wiedergeben können. Und weil jedes Gehör anders ist, kann das dauern: Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre. Und in einigen wenigen Fällen wird die Fehlanpassung vielleicht nie vollständig überwunden.

Deshalb hat sich MED-EL von Anfang an auf die Entwicklung möglichst langer Elektrodenträger konzentriert, die bis tief in die Cochlea hineinreichen und ein möglichst breites Frequenzband abdecken. Wir wissen, dass jede Cochlea einzigartig ist, und haben daher ein breite Palette von unterschiedlich langen Elektrodenträgern geschaffen, um Cochleas jeder Größe gerecht zu werden. Für Ihr Gehirn bedeutet das weniger Arbeit beim Korrigieren einer möglichen Fehlanpassung, für Sie, dass Sie schneller besser hören können.

 

 

 

Referenz:

  1. McDermott, H., Sucher, C., Simpson, A. (2009) Electro-Acoustic Stimulation. Audiology & Neurotology 14(1):2- doi: 10.1159/000206489

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