Gastartikel

Die Geschichte meines Cochleaimplantats: Wie ich die ersten Klänge hörte

Dies ist der zweite Post von Claire Stancliffe, die ein MED-EL Cochleaimplantat trägt. In ihrem letzten Post hatte sie ihre Kindheit mit dem Gehörverlust beschrieben. Heute berichtet sie von den ersten Monaten nach Einsetzen des Cochleaimplantats.

Erst einmal möchte ich mich bei allen bedanken, die meinen ersten Blog-Beitrag gelesen haben. In diesem Artikel berichte ich von meinem Aktivierungstermin und wie ich mit der enormen Veränderung danach klar gekommen bin.

Nach meiner Cochleaimplantat-OP hatte ich eine Nachuntersuchung, bei der überprüft wurde, ob die Wunde gut verheilt. Alles war gut und nach etwa drei Wochen war sie komplett verheilt. Die Narbe war so gut wie nicht zu sehen. Um Infektionen zu vermeiden, durfte ich in dieser Zeit keine Hörhilfe im implantierten Ohr einsetzen. Das ist mir schwer gefallen, denn in den vergangenen 19 Jahren hatte ich jeden Tag zwei Hörhilfen getragen. Selbst mit nur einer klang alles anders und es war ungeheuer ermüdend, von den Lippen abzulesen. Glücklicherweise musste ich mehrere Monate nicht arbeiten, sodass ich mich von der OP erholen und an das Implantat gewöhnen konnte.

Erstanpassung von Claires Cochleaimplantat

Dann, Mitte März 2012, kam der große Tag: die Aktivierung des Audioprozessors.

Da ich im Vorfeld schon mit Freunden gesprochen hatte, die ein Cochleaimplantat haben, war meine Erwartungshaltung sehr gering. Aus ihren Erzählungen wusste ich, dass es am Anfang sehr schwer ist und dass das, was man hört, nicht sehr natürlich klingt. So habe ich meine Erwartungen völlig zurückgeschraubt und wollte alles erst einmal so nehmen, wie es kommt.

Ich musste die Hörhilfe aus meinem anderen Ohr entfernen und sollte sie nach Möglichkeit auch bis zu meinem nächsten Termin nicht wieder einsetzen. In meinem Kopf begannen schon die Alarmglocken zu läuten und ich dachte mir: „Wie soll ich bloß ohne Hörhilfen klarkommen?“ Dann begann der Audiologe alles anzuschließen und den Prozessor in die richtige Position zu bringen. Er erläuterte, was alles passieren würde, und schaltete schließlich das Implantat zum ersten Mal ein.

Kaum hatte er es eingeschaltet, konnte ich auch schon etwas hören. Es waren nur die Hintergrundgeräusche vom Computer und von der Klimaanlage. Dann sprach mein Arzt mich an und fragte mich, ob ich ihn hören könne und was genau ich höre.

Es ist sehr schwer zu beschreiben, was ich hörte. Ich wusste, dass er sprach, weil ich das von seinen Lippen ablesen konnte, aber es klang überhaupt nicht natürlich. Viele Leute beschreiben es als ein Piepen. Für mich klang es einfach wie gesprochene Sprache, nur sehr leise und tief. Alle Geräusche waren in derselben Tonlage.

Mein Audiologe beschloss, ein kleines Experiment zu machen. Ich sollte sitzen bleiben, während er sich etwa zwei Meter hinter mir aufstellte und „Schhhhh“ machte. Wenn ich das hörte, sollte ich meine Hand heben. Er begann so leise wie möglich und zu seinem Erstaunen und dem meiner Mutter hob ich sofort die Hand. Das Geräusch war so klar für mich, als würde er direkt neben mir stehen. Mit meinen Hörhilfen hätte ich das niemals gehört.

Bei diesem ersten Termin wollten sie mit dem Prozessor nicht zu viel machen, daher stellte mein Arzt ihn nur korrekt ein, damit ich in die Mittagspause gehen und mich erst einmal daran gewöhnen konnte. Ich bekam auch noch eine externe Fernbedienung, damit ich die Lautstärke und die Empfindlichkeit des Prozessors ändern konnte, falls es in der Kantine zu laut war.

Ohne Hörhilfen und mit dem gerade zum ersten Mal eingeschalteten Implantat war das Mittagessen eine ziemliche Tortur. Auf einmal konnte ich gar nichts mehr hören. Ich drehte mit der Fernbedienung die Lautstärke auf, aber immer noch nichts. Ich bekam Panik und sagte zu meiner Mutter, dass ich nichts mehr hören konnte.

Ich erklärte meinem Arzt, was passiert war, und er verstellte ein paar Dinge am Prozessor. Danach konnte ich wieder Klänge hören. Er erklärte mir, dass sich mein Gehirn an die Klänge in der ersten Einstellung gewöhnt hatte und man nun weitere Einstellungen vornehmen müsse. Das wolle er aber nicht zu früh machen, da die Anpassung schrittweise erfolgen solle. Er richtete daraufhin vier unterschiedliche Programme ein, die ich über meine Fernbedienung auswählen konnte. Wenn ich mich an das eine Programm gewöhnt hatte, konnte ich zum nächsten übergehen.

Die ersten Monate mit einem Cochleaimplantat

Ich fand die nächsten paar Wochen sehr anstrengend. Ich hätte am liebsten meine Hörhilfe wieder eingesetzt, um mich mal zu erholen. Ich hätte das Implantat am liebsten abgenommen. In dieser Zeit war ich immer heilfroh, wenn ich es abends beim Zubettgehen abschalten konnte und endlich meine Ruhe hatte. Jeden Morgen war ich beim Wiedereinschalten furchtbar erschrocken, weil die Alltagsgeräusche so laut waren. Aber ich wusste, dass ich durchhalten musste. Ich musste positiv denken: Wie mir jeder gesagt hatte, brauchte die Anpassung einfach Zeit.

Und ich wusste noch etwas anderes: Die Zeit nach der Aktivierung ist eine Phase der Rehabilitation. In den ersten Wochen bestand meine Rehabilitation darin, dass mir meine Mutter einzelne Wörter vorsprach, während ich meine Augen geschlossen hielt. In den meisten Fällen verstand ich sie falsch. Aber im Laufe der Zeit erkannte ich immer mehr Wörter. Nach mehreren wöchentlichen Terminen zur Feineinstellung erweiterten wir meine Rehabilitation von Wörtern auf ganze Sätze. Tatsächlich machte ich rasch Fortschritte.

Heute, nach mehr als zwei Jahren, klingt alles wieder sehr natürlich. Ich habe keine Angst mehr vor dem Einschalten des Implantats, Hintergrundgeräusche sind Hintergrundgeräusche und drängen sich bei Stille nicht mehr in der Vordergrund.

Bei einem frisch eingesetzten Cochleaimplantat braucht das Gehirn Zeit, um sich anzupassen und zu lernen, wie es mit Geräuschen umgehen muss. Das ist ein langer Weg, aber ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, ein Cochleaimplantat tragen zu dürfen. Es stimmt, der Anfang ist unglaublich schwer, aber wer hart daran arbeitet und entschlossen ist, durchzuhalten, der wird am Ende auch belohnt. Meine Hörqualität ist so viel besser geworden, dass ich es bedaure, dass ich die OP nicht schon früher habe machen lassen, als ich noch jünger war.

(Eine Bemerkung am Rande: In einem Kommentar zu meinem ersten Blog-Beitrag wurde ich gefragt, warum ich immer noch für ein internationales Gehörlosen-Team spiele, obwohl ich doch ein Implantat habe. Dabei darf man nicht vergessen, dass ein Implantat kein Heilmittel gegen Taubheit ist. Sobald es ausgeschaltet oder entfernt wird, bin ich nach wie vor hochgradig hörgeschädigt. Bei internationalen Fußballturnieren wie den Deaflympics müssen Implantate und Hörgeräte jeglicher Art entfernt werden, bevor man das Spielfeld betritt.)

Claire setzt ihren Bericht in der nächsten Woche im MED-EL Blog fort. Dann erzählt sie von den neuen und unterschiedlichen Klängen, die sie seit dem Einsetzen des Cochleaimplantats erlebt hat.

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