Gastartikel

„Das Cochlea-Implantat war die beste Entscheidung“: Adis Geschichte

Hörverlust beeinflusst nicht nur das Leben des Betroffenen, sondern hat auch Auswirkungen auf die gesamte Familie. Alltägliche Kleinigkeiten, wie gemeinsames Lachen, sind dann nicht mehr selbstverständlich. Das weiß auch Kathrin, deren Vater Adi sich kürzlich nach jahrelangem Hörverlust für ein Cochlea-Implantat entschieden hat. Im heutigen Gastbeitrag erzählt sie uns von ihren Erfahrungen und wie sich das Leben für sie, ihren Vater und die gesamte Familie durch das Cochlea-Implantat verändert hat.

Es ist fünf vor drei. Ich stehe vor der Haustüre meines Vaters und drücke auf die Türklingel – obwohl ich auch einen Schlüssel dabei habe. Wir sind zum Kaffee verabredet. „Bin gespannt, ob er die Klingel hört…“, denke ich mir. Das surrende Geräusch des Türöffners zaubert mir  ein Lächeln ins Gesicht. Mein Vater Adi war die letzten 10 Jahre lang fast taub, bis er vor fünf Monaten mit einem Cochlea-Implantat versorgt wurde.

„Komm rein, ich freu mich, dass du da bist“.  Mein Vater ist ein geselliger Mensch, aber durch den Hörverlust hat er sich in den letzten Jahren immer mehr zurückgezogen. Er war vor der Operation völlig auf Lippenlesen angewiesen. Gespräche waren auf das Wichtigste und auf einfaches Vokabular beschränkt. Andere Verwandte mussten jeden Satz aufschreiben und mein Vater brüllte ihnen die Antwort dann entgegen, weil er sich selbst nicht hören konnte.  Diese „Gesprächskultur“ war für alle immer sehr anstrengend. Auch für mich.

Hörverlust beeinflusst die ganze Familie

Jahrelang war es nicht möglich, ein normales Gespräch mit ihm zu führen.  Gern hätte ich ihm einfach auch belanglose Dinge erzählt, über unsere Kinder zum Beispiel, und hätte mir gewünscht, dass er die Witze auch versteht und nicht nur lacht, weil alle gerade lachen. Gerne hätte ich ihn mehr ins Familienleben eingebunden.

Mein Mann Jakob hat in den acht Jahren, die wir verheiratet sind, noch nie wirklich ein Gespräch mit meinem Vater geführt. Und auch die Kommunikation mit unseren Kindern, drei und fünf Jahre alt, war schwierig bis unmöglich.

Darunter litt er als Großvater natürlich auch sehr: „Ich hoff, ich kann ihnen nach der Operation wenigstens Geschichten erzählen, so wie ich das damals gemacht habe, als du noch ein Kind gewesen bist“, erzählte er mir kurz vor seiner Operation „Momentan kann ich gar nichts tun oder unternehmen. Ich bin total blockiert. Mit Hörverlust bist du ein halber Mensch – weil du nichts unternehmen kannst. Ich will ja auch meine Familie verstehen. Jetzt hör‘ ich gar nichts. Das ist sehr hart.“

Hörverlust beeinflusst die Selbstständigkeit

Mein Vater ist 80 Jahre alt und lebt allein. Er ist körperlich und geistig fit, macht alleine den Haushalt, kocht und geht einkaufen. Aber vor der Operation wäre ein eigenständiger Alltag ohne die Unterstützung durch meine Mutter oder mich nicht möglich gewesen. Nur in unserer Begleitung konnte er Arztbesuche oder Amtswege bewältigen. Meine Mutter Heidi hat ihn zu allen Terminen begleitet, um zu übersetzen, und wir hatten einen Haustürschlüssel, weil er die Klingel nicht hören konnte.

Telefonieren war unmöglich.  Wenn er mich anrief, redete er einfach drauf los – egal, ob ich schon abgehoben hatte oder nicht, egal, ob die Sprachbox an war, oder nicht. Er hörte ja nichts. Deshalb hab ich ihm gesagt, dass er alles nochmal wiederholen muss, damit zumindest ein bisschen Information auf der Sprachnachricht zu hören ist.

Ein Unfall ist der Weckruf

 

Ich habe ihm ein Ultimatum gestellt: Cochlea-Implantat oder Heim.

Im Frühling stolperte mein Vater in seiner Küche, stürzte unglücklich und zog sich eine tiefe, stark blutende Platzwunde am Kopf zu. Da er mit dem Rettungsdienst aufgrund des Hörverlustes nicht telefonieren konnte, rief er in Panik mich an. Und ich tätigte dann für ihn den Notruf.

Das war ganz schlimm für mich – und auch der Punkt, an dem ich sagen musste: „So geht es nicht weiter. Wenn du weiterhin alleine wohnen willst, musst du etwas gegen deinen Hörverlust unternehmen. Seit Jahren sagen dir deine Ärzte, dass du ein Kandidat für ein Cochlea-Implantat bist. Ich kann und will nicht die Verantwortung tragen, dass dir in einer solchen Situation geholfen wird.“ Ich habe ihm ein Ultimatum gestellt: Cochlea-Implantat oder Heim. Und er entschied sich für das Implantat.

Und wie ist das heute, fünf Monate später, mit CI?

Bereits bei der Aktivierung des Audioprozessors vier Wochen nach der Operation war klar, dass sich nun vieles zum Positiven ändern wird. Mein Vater konnte bereits beim ersten Termin mit der Audiologin die Zahlen und die Tonleiter hören. Ich bin mit meiner Mutter dabei gewesen – und hatte Freudentränen in den Augen.

Der Alltag gestaltet sich für meinen Vater jetzt mit Cochlea-Implantat viel selbständiger und abwechslungsreicher. „Ich bin selbstsicherer geworden. Früher war das ein ungutes Gefühl, weil ich nichts oder nur schlecht verstanden habe – beim Busfahren zum Beispiel. Aber heute habe ich wieder Sicherheit“, erzählt er mir beim Kaffee.

Er hört jetzt nicht nur die Türklingel oder die Kirchenglocken. Radiohören, Fernsehen und Telefonieren sind auch wieder möglich. Ich habe ihn vor ein paar Wochen angerufen, wollte es einfach ausprobieren und sehen wie er reagiert. Ob er nur „Ja“ und „Nein“ sagt. Aber zu meiner positiven Überraschung konnte ich ganz normal ein paar Minuten mit ihm telefonieren.

 

Das Cochlea-Implantat war die beste Entscheidung. Es hat meine Lebensqualität massiv verbessert.

Durch Logopädie hat sich auch das über Jahre angeeignete, sehr laute Sprechen verbessert. In ein Restaurant haben wir uns noch nicht getraut, weil mein Vater doch immer wieder mal die Lautstärke rauf dreht und ich nicht will, dass alle Gäste unsere Gespräche mitanhören. Aber das ist das nächste Ziel und sicher bald möglich.

„Jakob war gestern hier und hat die Lampe repariert – und ich hab ihm praktisch meine halbe Lebensgeschichte erzählt“, berichtet er mir lachend. Mit den Enkelkindern und in lauter Umgebung sind Gespräche noch nicht so einfach, aber dass ich so ungezwungen mit meinem Vater reden und lachen kann, das ist wirklich ein Wunder. Und es beruhigt mich auch zu wissen, dass er hören und sich auch im Notfall mit Fremden verständigen kann.

„Ich trage den Audioprozessor den ganzen Tag und genieße das Hören. Sogar nachts habe ich es schon mal versucht – aber da ist der Audioprozessor leider runtergerutscht“ sagt er – und fügt hinzu: „Das Cochlea-Implantat war die beste Entscheidung. Es hat meine Lebensqualität massiv verbessert.“ „Hättest du es nur schon früher gemacht“, denke ich mir im Stillen, während ich mich sehr freue, diese Worte aus dem Mund meines Vaters zu hören.

Danke, Kathrin!

Kathrin, 33, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern Moritz (5) und Leo (3) in Tirol.

Lesen Sie auch die Geschichte der 80-jährigen Barbara, für die ihre beiden Cochlea-Implantate ein großes Stück Lebensqualität bedeuten. 

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